Gegen GroKo oder Neuwahlen – für einen Stabilitätspakt zwischen CDU/CSU und SPD, gegen einen Koalitionsvertrag der SPD mit der CDU/CSU (sog. Große Koalition) und gegen baldige Neuwahlen

Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen CDU/CSU, den GRÜNEN und der FDP und dem faktischen Ausschluss einer formal möglichen Koalition mit den LINKEN und der AfD haben wir in Deutschland eine spezielle Situation, die unser Grundgesetz klar regelt, also keinerlei „Notstand“. Nach Gesprächen mit den im Bundestag vertretenen Parteien und in der Erkenntnis, dass es eine verbindliche Vereinbarung gibt (zwischen CDU/CSU und SPD), eine Kandidatin oder einen Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers/der Bundeskanzlerin mit der ausreichenden Mehrheit der gewählten Abgeordneten zu wählen (der sog. „Kanzlermehrheit“), hat allein der Bundespräsident das Recht, diese Kandidatin/diesen Kandidaten dem Bundestag zur Wahl vorzuschlagen. Gewählt ist diese Person, wenn sie im ersten Wahlgang – ohne jede Aussprache – die sog. Kanzlermehrheit auf sich vereinigt. Diese gewählte Person muss der Bundespräsident ernennen. (Vgl. Art. 63 GG).

Der Bundestag wählt also keine Koalition, auch keine Regierung, sondern eine Kanzlerin/einen Kanzler, die/der nach ihrer/seiner Ernennung die Regierung bildet, indem sie/er dem Bundespräsidenten die Minister der neu zu bildenden Regierung zur Ernennung vorschlägt. Anders als in einigen Landesparlamenten werden die Minister nicht vom Parlament gewählt oder bestätigt, sondern durch den Bundespräsidenten ernannt.

Ich verdeutliche noch einmal: der Bundespräsident, der – wie auch zumindest CDU/CSU und SPD – mit guten Gründen keine Neuwahlen will, hat zur Zeit eine einmalige Machtposition durch sein Vorschlagsrecht für das Bundeskanzleramt. Sollte sein Vorschlag keine ausreichende Mehrheit finden, verliert der Bundespräsident sofort sein Vorschlagsrecht und der Bundestag ist am Zug: innerhalb von 14 Tagen kann der Bundestag in mehreren Wahlgängen versuchen, irgendeine vorgeschlagene Kandidatin oder Kandidaten zu wählen. Aber der Bundespräsident darf nur den zum Bundeskanzler ernennen, der die Kanzlermehrheit erhalten hat.

Ist die Frist von 14 Tagen nach dem ersten erfolglosen Wahlgang (mit dem Vorschlag des Bundespräsidenten) verstrichen und kein Kanzler (oder Kanzlerin) gewählt, dann muss unverzüglich ein neuer Wahlgang (mit x-möglichen Kandidatinnen und Kandidaten) stattfinden, bei dem gewählt ist, wer die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält. Ist das die Kanzlermehrheit, muss der Bundespräsident den Gewählten oder die Gewählte ernennen. Erhält er/sie zwar die Mehrheit der abgegebenen Stimmen, aber nicht die qualifizierte Kanzlermehrheit, dann hat der Bundespräsident innerhalb von 7 Tagen das Recht, ihn/sie zu ernennen, oder den Bundestag aufzulösen.

Ich gehe davon aus, dass der Bundespräsident diese letzte Möglichkeit vermeiden will, und die Kandidatin der CDU/CSU, Angela Merkel, dieses „14-Tage-Chaos“ vermeiden will. Beide haben ein Interesse daran, dass die jetzige geschäftsführende Bundeskanzlerin im ersten möglichen Wahlgang auf Vorschlag des Bundespräsidenten die Kanzlermehrheit erhält und dann ihre Regierung bilden kann.

Dies – dies ist mein Vorschlag – wird möglich durch eine Vereinbarung der drei Parteien CDU, CSU und SPD, in der beide Fraktionen verpflichtet werden, im ersten Wahlgang Angela Merkel zu wählen. Ich nenne auf Vorschlag meines alten Schulfreundes aus Krefelder Zeiten, Prof. Dr. Karl-Heinz Naßmacher (pensionierter Hochschullehrer für Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg, der jetzt in Solingen lebt) diese Vereinbarung einen Stabilitätspakt.

Dieser Stabilitätspakt muss m.E. zumindest folgende Eckpunkte verbindlich regeln:

  • Neben der Sicherung eines ausreichenden und stabilen Wahlergebnisses durch die beiden Fraktionen zur Bundeskanzlerin im ersten Wahlgang auf Vorschlag des Bundespräsidenten verpflichtet sich Angela Merkel (die neu ernannte Bundeskanzlerin), dem Bundespräsidenten Sigmar Gabriel (SPD) wieder als Außenminister vorzuschlagen. Der Bundespräsident muss ihn auf diesen Vorschlag hin zum Außenminister ernennen.
  • Gemeinsame Sicherung der Rolle Deutschlands als verlässlicher Partner in EU, NATO und UNO;
  • Gemeinsame Außen- und Europa- und Sicherheitspolitik;
  • Keine Beteiligung an einem konstruktiven Misstrauensvotum gegenüber der Bundeskanzlerin während der vereinbarten Legislaturperiode;
  • Klärung des Vorsitzes im Auswärtigen- und Europaausschuss des Bundestages
  • Für alle Fragen der Innen-, Wirtschafts- und Sozialpolitik behalten sich beide Seiten volle Handlungsfreiheit vor, d.h. die unionsgeführte Minderheitsregierung kann sich für ihre Maßnahmen eine beliebige Mehrheit im Bundestag suchen, die SPD wird – soweit sie das für richtig hält – dagegen opponieren.

Dieser zwischen den Parteien CDU, CSU und SPD geschlossene Stabilitätspakt ist grundgesetzkonform, so wie auch ein Koalitionsvertrag nach unserer Verfassung möglich, aber nicht notwendig ist. Zwischen der politischen Praxis, vor der Bundeskanzlerwahl einen Koalitionsvertrag der beteiligten Parteien zu beschließen, der dann den gewählten Bundeskanzler bindet, und den gesetzlichen Regelungen des Grundgesetzes ist zu unterscheiden. So kennt unser Grundgesetz weder den Begriff „Koalition (von Parteien)“, noch den Begriff „Koalitionsvertrag“. Daher ist auch eine Vereinbarung im Sinne des obigen Stabilitätspaktes, geschlossen durch die beteiligten Parteien, möglich und für eine stabile Politik ausreichend.

Dieser Stabilitätspakt kann nach außen wie nach innen die erwartete gemeinsame Europa- und Außenpolitik stärken und die weltweite Anerkennung der Bundeskanzlerin und des Außenministers sichern und verbessern. Gleichzeitig werden die Durchsetzungsmöglichkeiten der Fraktionen des Bundestages (z.B. in den Gesetzgebungsverfahren) in der Innen-, Sozial- und Wirtschaftspolitik vergrößert. Dies ist sicher auch im Interesse der SPD, ihre Wahlergebnisse mittel- und langfristig zu verbessern.

Auch muss die „Wartestellung“ der gewählten Abgeordneten des Bundestages möglichst bald beendet werden. Es kann nicht sein, dass die Ausschussarbeit zum großen Teil brach liegt, weil alles auf die Koalitionsverhandlungen fixiert ist – und diese sich unnötigerweise hinziehen. Daher stelle ich mir abschließend folgenden Zeitablauf vor:

  1. Bis Anfang Januar 2018 ist der Stabilitätspakt in der Außen- und Europapolitik zwischen SPD und CDU/CSU ausgehandelt, formuliert und in den Gremien der drei Parteien diskutiert und beschlossen.
  2. Mitte Januar 2018 schlägt der Bundespräsident Angela Merkel dem Bundestag als erneute Bundeskanzlerin vor.
  3. Die gewählte und ernannte neue/alte Bundeskanzlerin schlägt im nächsten Schritt Sigmar Gabriel dem Bundespräsidenten als Außenminister vor und der Bundespräsident ernennt ihn.
  4. Die Bundeskanzlerin schlägt dem Bundespräsidenten die übrigen Ministerinnen und Minister zur Ernennung vor.
  5. Die Bundeskanzlerin gibt gegenüber dem Bundestag ihre Regierungserklärung ab. Zuvor setzt der Bundestag gemäß der Vorgabe der ernannten Ministerinnen und Minister seine Ausschussstruktur fest. Natürlich ist es möglich, dass im Stabiltätspakt (von CDU, CSU und SPD) gemeinsame Regelungen bezüglich der Bundestagsausschüsse getroffen wurden.

Mit diesen Überlegungen und Vorschlägen, die auf der Basis des Konzeptes von Karl-Heinz Naßmacher „Ein Weihnachstsgeschenk für Deutschland“ (Stand 30.11.2017) von mir formuliert wurden, wollen wir erreichen, dass die außenpolitische Anerkennung der Bundesrepublik und ihrer Bundeskanzlerin wie des jetzigen Außenministers weiterhin gesichert wird; der Spielraum der politischen Fraktionen im Bundestag vergrößert wird – und dies nützt auch der Zukunft der SPD.

p.s.

Prof. Dr. Karl-Heinz Naßmacher (ehemals Hochschullehrer für Politikwissenschaft an der Universität Oldenburg) und ich kennen uns seit unserer gemeinsamen Schulzeit am Fichte-Gymnasium in Krefeld und sind beide über 50 Jahre Mitglied der SPD. Die Forschungsschwerpunkte von K.-H. Naßmacher sind die Parteienfinanzierung, der Parlamentarismus und die Kommunalpolitik.