Grundlage und Ziel meines Projektes: Aufklärung zu Ende denken
Seit langem versuchen Religionsphilosophie – und auch die Soziologie der Religion das Verhältnis von Profanem und Heiligem und den vermeintlichen Ursprung von beiden zu klären. Demgegenüber hinterfragt mein Projekt der Aufklärung diese Dualität und entwickelt die Möglichkeiten – ich spreche auch von Potenzen – eines einheitlichen menschlichen Bewusstseins – individuell wie sozial/geschichtlich – von Wahrnehmung, (aenigmatischer) Erkenntnis, Projektion und Utopie. Ich beschreibe in einer Theorie des Aufgeklärten Realismus diese Potenzen (oder Leistungen) dieses Bewusstseins am Ende des Anthropozän.
Diese Meta-Theorie hinterfragt metaphysische Vorstellungen der zwei Wirklichkeiten (Himmel/Erde, Gott/Mensch), begrenzt aenigmatisches Erkennen nicht auf (postmoderne) konstruktivistische Positionen oder reduziert bzw. verwechselt menschliche Erkenntnis (einschließlich ihrer Methoden) nicht auf naturalistische Vorstellungen bzw. mit Entwicklungen der biologischen Evolution, sondern begreift die Potenzen des menschlichen Bewusstseins einerseits als – wenn auch sterbliches – Schöpfertum, andererseits als Summe der – vorläufigen – Lösung von Problemen; darstellbar als Geschichte der menschlichen Erkenntnis.
Diese Problemlösungsprozesse enthalten – in ihren Methoden wie in ihren Resultaten – eine (jeweils zu ermittelnde) Dynamik des Vorläufigen: einerseits werden dogmatische Engführungen radikal aufgelöst, andererseits wird die aenigmatische Struktur menschlicher Erkenntnis aufgedeckt (provisorisch und antizipativ). Die heutigen Menschen sind für ihr Denken und Handeln allein verantwortlich; der homo sapiens ist – zu Ende des Anthropozän – ein homo praestans, der für andere wie für sich einsteht, einstehen muss.
Theozentrische Weltbilder sind in der Geschichte der menschlichen Erkenntnis (seit der Renaissance und dem historischen Prozess der Aufklärung) zunehmend durch ein anthropozentrisches Weltverständnis abgelöst, auch wenn metaphysische wie religiöse Sprachspiele weiter vorherrschen und das Alltags-Bewusstsein beeinflussen. Diese weltweiten Deutungen der Wirklichkeit verlieren an (argumentativer) Bedeutung, auch wenn sie sich als Ideologien wirksam radikalisieren und damit die Denkformen des Bewusstseins beeinflussen. Diese Wirkung zeigt sich in den Institutionen (z.B. Kirchen), die diese Ideologien transportieren, auch wenn die Gründe für Bedeutungsverlust oder Bedeutungsverstärkung unterschiedlich sind.
Diesen Wirkungsprozess zu analysieren, ist Aufgabe der Soziologie der Religionen.
Um die vermeintliche Sinn-losigkeit religiöser Sprachspiele aufzuhalten, muss ihr möglicher Sinn übersetzt werden. Die Metatheorie des Aufgeklärten Realismus bildet die Basis für diese notwendige Übersetzungsarbeit. Diese Metatheorie unterscheidet und verknüpft die Potenzen des menschlichen Bewusstseins: vom Wahrnehmen über das Erkennen hin zum utopischen Denken.
Das utopische Denken kann sich in der Utopie der Erlösung konkretisieren. Diese Potenz entdecke ich in den Erzählungen des Judentums und Christentums. Diese konkrete Utopie ist für den heutigen Menschen erfahrbar, nicht begreifbar, aber mitteilbar (im Gespräch, das mit dem Schweigen beginnt und in Qxymora erzählt werden kann). Die in dieser Utopie enthaltene Dynamik (ich spreche von der „Dynamik des Vorläufigen“) befreit zur Praxis der Würde aller Menschen und verpflichtet zur Menschenliebe (Empathie oder agápe).
Religionen (und deren Sprachspiele) sind in ihrer Bedeutung und ihrer Wirkung traditionell durch ihre Schöpfungsgeschichten geprägt. Grundlage dieser Schöpfungsmythen ist der Unterschied von Schöpfer und Geschöpf (von Gott und Mensch). Im messianischen Denken sind Schöpfungsmythen wie Paradieserzählungen sekundär (auch wenn die jüdisch/christliche Bibel mit diesen Erzählungen chronologisch beginnt).
Primär im messianischen Denken sind Weg und Exodus der Menschen in Auseinandersetzung mit JHW. Der Exodus, die erkannte und gelebte Umkehr, befreien; Erlösung ist keine Rückkehr ins Paradies.
Ich bin überzeugt, auf der Grundlage der vorherigen Argumentation, dass aufgeklärte Atheisten und aufgeklärte Christen sich verstehen und verständigen können. Für alle Menschen – als mündige Menschen im Sinne Immanuel Kants und als sterbliche Schöpfer im Sinne Hannah Arendts – gilt der dreifache „kategorische Imperativ“ der Mündigkeit, Würde und Empathie. Dieser Imperativ ist Befreiung und Verpflichtung zugleich.