Wieviel % hatte das Jordanwasser, mit dem Jesus aus Nazaret durch Johannes getauft wurde?

Wieviel % hatte das Jordanwasser, mit dem Jesus aus Nazaret durch Johannes getauft wurde?

Diese von mir gestellte Frage ist entweder ungehörig oder missverständlich; denn wieviel Prozent wovon sind gemeint: Salz- oder Alkoholgehalt ?

Wenn der Salzgehalt gemeint wäre, liegt ein Missverständnis vor: nicht der See Genezaret oder das Tote Meer sind im Blick, sondern gefragt wird nach der Wasserqualität des Jordans, also eines Flusses. Die Antwort in Prozent-Zahlen interessiert vielleicht einen Fischer oder Wasserfachmann – aber provozierend ist die Frage nach dem Alkoholgehalt.

Und ungehörig ist die Fragestellung für einen theologisch gebildeten Christen, denn schon in der Frage könnte eine Verunglimpfung der Religion stecken – fast schon ein Straftatbestand. Meine Frage hat jedoch einen konkreten wie realen Hintergrund: der 38%ige Urkorn der Firma Sasse aus Schöppingen.

Dieser Hinweis wirkt zunächst rätselhaft, bedarf daher der Aufklärung. Der genannte Schnaps-Produzent aus dem Münsterland vertreibt zu Ehren Martin Luthers und seiner Reformation vor 500 Jahren eine Flasche Urkorn zu 38% Alkohol und zu einem Preis von 18,90 EUR mit einem eindeutigen Produktnamen: TAUFWASSER.

Ich fand dieses Produkt – in einer schönen altmodischen Flasche und von klarem Wasser optisch nicht zu unterscheiden – im Andenkenladen des Münsteraner Stadtmuseums in der Salzstraße. Was ging mir spontan „durch den Kopf“?
° Taufen mit Alkohol ist laut Codex Iuris Canonici (CIC) und der liturgischen Vorschriften ungültig; d.h. der Taufakt kommt nicht zustande; ist darüber hinaus vermutlich ein „sacrilegium“, gleich ob der Säugling ihn einatmet oder ein Erwachsener ihn trinkt (= Missbrauch hoch 2). Selbst wenn ich die Gesundheitsgefährdung außen vor lasse – auch die historisch verbürgte Ganzkörpertaufe war nicht ohne Risiko – , ist klares H2O taufaktkonstitutiv.

Wie kommt die Schnapsbrennerei Sasse (auf wessen Anforderung oder Anregung?) dazu, zugegeben reinsten Schnaps als Taufwasser zu kreieren? Auch hier hilft eine kritische Kontextanalyse weiter.

Im Stadtmuseum Münster wird z.Z. eine kleine, aber interessante Ausstellung präsentiert: „Die Macht des Wassers – Taufen in der Reformation, verantwortet vom Stadtmuseum (Barbara Rommé) und vom Evangelischen Kirchenkreis Münster. Dokumentiert werden die christlichen Taufgebräuche und Gebete und die dazugehörigen Holzschnitt- und Buchdruck-Abbildungen aus der Reformationszeit. Im Einzelnen werden die Taufpraktiken der (katholischen) Altgläubigen, der Lutheraner und der in Münster bis heute berüchtigten Taufgesinnten – immer noch „Wiedertäufer“ genannt – erklärt. Im Mittelpunkt der Glaubenstaufe der Münsteraner Täufer steht ein kleiner Holzbottich, ein ausgewiesenes Imitat; wobei mir spontan nicht klar war, ob aus diesem Holzeimer das Taufwasser geschöpft wurde, um es dem nieder knieenden Taufbewerber über seinen Kopf zu gießen oder ob der gesamte Eimerinhalt über den Täufling ausgegossen wurde. Wie dem auch sei, die beigefügten Animationszeichnungen legen die erste Version nahe. Auf jeden Fall wurde mit Wasser getauft und nicht mit Schnaps.

Was soll also der 38%ige Alkohol in der Flasche Taufwasser ? Ich vermute, Inhalt wie Verpackung dienen der Kommerzialisierung religiöser Gebräuche, so wie es (auf dem selben Tisch) Luther-Schokolade gibt. Aus Trier, dem Geburtsort von Karl Marx, wurde mir vor Jahren Karl-Marx-Schokolade (aus einer Konditorei nahe seines Geburtshauses) geschenkt.
Aber warum hat es, soweit ich weiß, noch keinen Protest von kirchlicher Seite, zumindest der anderen Konfessionen, gegen diese Vermarktung gegeben ? Zumindest sollten sich doch die Kräfte rühren, die markt- und kapitalismuskritisch sein wollen.

Oder – eine perverse Vermutung, ja Unterstellung – Museumsleitung und Kirchenkreis (Lutheraner?) wollen suggerieren, die Täufer hätten mit Alkohol getauft. Dies würde ihre – zeitgenössisch unterstellten – Verzückungen erkären und die Ungültigkeit bekräftigen. Als Kenner der Täuferbewegung lege ich gegen diese Unterstellung Protest ein, auch wenn ich es für plausibel halte, den Münsteraner Täufern (melchioritischer Konfession) neben der Vielweiberei (als sexuelle Orgien phantasiert) auch ausgeprägten Alkoholismus vorgeworfen zu haben.

Meine Lösung des Problems geht vom Naheliegenden aus: den ökonomischen Gesetzen des Marktes. Der Warencharakter des Taufwassers , und damit der Besitzwunsch potentieller Käufer soll verstärkt werden, trotz des relativ hohen Preises. Doch ich warne vor den Folgen. Ich stelle mir nämlich vor, ein „Ungläubiger“ – gleich welcher Herkunft – , der sich, durch die Artefakte der derzeitigen Skulpturausstellung verunsichert, in das Stadtmuseum flüchtet, entdeckt dieses Taufwasser, erkennt schon am Geruch den Alkoholgehalt und zieht den Rückschluss, Christen taufen mit Alkohol, der wie Wasser aussieht. Weitere Rückschlüsse erspare ich mir.

Auch eine harmlosere Konsequenz kann ich mir vorstellen: Rheinische wie Westfälische Christen entdecken diese Flaschen, gewinnen ihnen eine symbolische Bedeutung ab – und trinken in Erinnerung an die Jordantaufe diesen Urkorn.

Was hat sich die Kornbrennerei Sasse bei dieser Perversion gedacht? Die Kommerzialisierung religiöser Produkte ist vor allem verkaufsfördernd, wenn auf den ersten Blick der Alkoholgehalt des reinen Wassers unsichtbar bleibt.

Wie dem auch sei, ich schließe diese Episode mit der Replik eines weiteren Besuchers dieser Ausstellung, der meine halblaute Kritik an den Taufwasser-Flaschen zum Verkauf bemerkte und ökologisch bewusst formulierte: „…besser als verschmutztes Wasser aus der Leitung.“ Und ich füge, ein wenig boshaft, hinzu: zumindest katholisches Taufwasser ist gesegnet (optimal in der Osternacht) und damit innerlich gereinigt.